Berichte eines Home-Officers – Tag 14

Ohne Arbeitsmodell kommt unser Kolumnist gerade nicht weiter. Doch Modellbau im Homeoffice birgt viele Tücken. Der Architekt Roman Leonhartsberger schreibt in seiner täglichen Kolumne auf New Monday über die besonderen Herausforderungen in Home-Office-Zeiten. Denn auch er sitzt, wie Tausende von ArchitektInnen, LandschaftsarchitektInnen, StadtplanerInnen an seinem Ess- äh Schreibtisch.
Veröffentlicht am 08.04.2020

Tag 14 – Ein reges Innenleben

Gestern sprachen wir über die Möglichkeiten, das Einerlei des Gewohnten hinter sich zu lassen und den Kopf durch das Himmelszelt hindurch in den unendlichen Reichtum neuer Erkenntnisse da draußen zu recken. Die Wunder der Welt fangen ja bekanntermaßen vor der Haustür an – wenn das Wetter es zulässt. In den letzten Tagen leider nicht möglich, abgesehen vom Kontaktverbot hinderte mich das Arbeitspensum daran, die Außenwelt zu durchstreifen. Viel zu tun, Verspätungen, Ärger, und das, wo endlich der Frühling da ist. Über all dem Ärger strahlt hämisch die Sonne. Jetzt merke ich auch noch, dass ich im Projekt ohne Arbeitsmodell nicht weiterkomme. Beim Modellbau ist, wie bei vielen handwerklichen Tätigkeiten, das Fordernde oft die intellektuelle und praktische Trennung des Werkstücks von seiner Umgebung. Kurz: Man braucht eine schnittfeste Unterlage und muss mit dem Leim vorsichtig umgehen. Nun ist unser Parkett schon alt. Und die Tatsache, dass man wieder etwas mit den Händen machen kann, nachdem man seit Jahrzehnten 90 Prozent seiner wachen Zeit auf dem Bildschirm geguckt hat, setzt ungeahnte kreative und aktionistische Energien frei. Die sind nicht zu unterschätzen. Es ist eine Herausforderung nicht alles in der lieben Wohnumgebung zu ruinieren, was einem lieb und teuer ist. Noch wichtiger aber ist eine gewisse Konzentration, ja eine strenge Kontrolle dessen, was der Gegenstand des Modellbauunterfangens ist. Beispiel: Manchmal ist man mit dem Ergebnis wenig zufrieden, ab und zu liegt es am Modell, oft am Entwurf, aber immer – wirklich immer! – läuft es darauf hinaus, dass man versucht, die Energie auf etwas zu lenken, das vermeintlich weniger widerspenstig und undankbar ist. Beim letzten Mal ist ein verhältnismäßig detaillierter Umbauplan für Küche, Bad und Flur (meiner Wohnung, nicht des Arbeitsmodells) dabei herausgekommen. Der Plan war unfinanzierbar, nicht abgesprochen und ausserdem teilweise technisch fragwürdig. Jetzt könnte man noch sagen, ist ja zumindest potenziell produktiv, im Vergleich zum vorletzten Mal. Beim vorletzten Mal war ich nämlich dabei gelandet Möbelentwürfe für das Arbeitsmodell zu entwerfen. Ich hoffe, dass ich wieder im Büro bin, bevor ich ein Arbeitsmodell im Maßtab des Modells baue, das dann auf den extravaganten Tisch passt, den ich bis dahin für das Innere des Modells entworfen habe.

Über den Autor:

Roman Leonhartsberger ist Architekt, Stadtplaner, Lehrbeauftragter für Städtebau an der Hochschule München und seit neustem Home-Officer.

Illustration: Juri Agostinelli

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