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Als ArchitektIn angestellt oder freiberuflich tätig – was will ich?

Die große Frage bei Architekturschaffenden lautet häufig: Sich selbstständig machen oder im angestellten Verhältnis arbeiten? Bernd Schenk, seit 40 Jahren freiberuflicher Architekt und Mitglied der Vereinigung freischaffender Architekten, berichtet in einer 4-teiligen Kolumne über das Für und Wider der Art der Berufsausübung: freiberuflich oder angestellt. Der erste Teil widmet sich der Work-Life-Balance und Murphy’s law. 
Veröffentlicht am 22.02.2021

Wenige Berufe sind mit Klischees, Projektionen und der Orientierung an berühmten Vorbildern so befrachtet wie der des Architekten. Als Erstes wird von Außenstehenden immer „die Kreativität“ genannt, die den Beruf so interessant mache. Außerdem wird ja auch „Bleibendes“ geschaffen … und von Le Corbusier hat auch der Vermieter schon mal gehört. Und so vielseitig!

Diesem Bild entspricht 1:1 dem schon im Studium idealisierten Bild des freischaffenden Architekten mit eigenem Büro, der mit genialen Ideen der Menschheit Gutes tut und ganz nebenbei erfolgreich und berühmt wird. In der Realität schlägt er/sie sich aber oft genug mit organisatorischem Kleinkram und Vorschriften aus der Parallelwelt der Baubehörden herum. Kostenzwänge und Termindruck lassen tolle Ideen oft genug auf das Minimum des Machbaren schrumpfen. Jede Idee ist nur so lange gut bis sie als Plan auf die Baustelle kommt. 

Achterbahn der Emotionen für freischaffende ArchitektInnen?

Dort trifft sie die Realität. Jeder Anruf, jede E-Mail bedeutet ein Problem oder eine Frage. Es ruft ja niemand an und sagt: „Es hat alles wie geplant geklappt, wir sind früher fertig geworden und es ist sogar billiger!“ Da sind schon viel Idealismus, Leidenschaft und Stressresistenz gefragt. Als freischaffender Architekt ist man sein eigener Chef und dieser kann je nach Charakter der Schlimmste sein. Das Privatleben kann zur Glücksache werden, da man den Kopf mit all den Projekten, Ideen und Problemen nicht abschrauben und im Büro lassen kann. Man brennt für die Projekte und der Lebensintensität sind nach oben theoretisch keine Grenzen gesetzt. Den Möglichkeiten der Selbstausbeutung aber auch nicht. Glücks- und Stresshormone können epische Pegel erreichen. Hier ist es sicherlich ratsam ein Praktikum in einem kleinen Büro zu machen (weil man hier alles mitbekommt) und sich an Stelle des Chefs vorzustellen. Kann ich das so auch? Will ich das? Auch der Informationsaustausch mit erfahrenen Kollegen in Verbänden für freiberufliche Architekten ist hilfreich und eröffnet neue Horizonte. 

Mehr Abstand für angestellte ArchitektInnen?

Hat es hier der angestellte Architekt leichter? Nein! Auch hier bestimmen Sachzwänge, Termindruck und Verwaltungsaufwand den Berufsalltag. Auch ist es oft genug nur ein frommer Wunsch den Job von „nine to five“ zu machen. Das Projekt muss termingerecht fertig werden und unbezahlte Überstunden sind oft genug stillschweigend vereinbart. Auch hier gilt Murphy's law: Es klappt nicht immer so wie geplant. Die KollegenInnen erwarten vollen Einsatz und machen auch mal Druck. Nicht alle vermitteln das so freundlich wie man es gerne hätte, man ist eingebunden in einen großen Apparat mit eigenen Regeln. Und der Name der favorite heavy metal band auf dem T-Shirt ist auch nicht unbedingt das beste Argument für die nächste Gehaltsverhandlung. Man muss sich anpassen.
Trotzdem hat man als Angestellter je nach persönlicher Einstellung zum Beruf die Chance Abstand zu halten: „Ist ja nicht mein Haus, mein Gehalt bekomme ich trotzdem!“ Das muss man aber auch können! Und die Ziele und Projektvorgaben müssen in aller Regel nicht selbst erarbeitet werden, sie sind vordefiniert, tendenziell eher strukturiert und nach entsprechender Einarbeitung auch überschaubarer. Dafür hat der oder die Vorgesetzte auch die Verantwortung für den Projekterfolg. Und: Hier hat sogar der Berufsanfänger die Chance gleich an großen Projekten mitzuwirken und seine CV aufzubessern.

Fragen an sich selber

Es lohnt sich also, sich über einige Frage klar zu werden. Will ich mir diese Arbeitsbedingungen geben? Werde ich das genauso gut oder besser als die Kollegen können? Wie fühlt sich das an? Auch hier sind Praktika oder ehrliche Gespräche mit schon angestellten Freunden, ehemaligen KommilitonInnen sehr gut, um sich zu orientieren. . Über die Architektenkammern kann man zudem Kontakt zu Berufsverbänden für angestellte Architekten aufnehmen. Hier gibt es Tipps zu Verträgen, Gehaltsforderungen, Urlaub, etc.
Angestellt oder freiberuflich? Diese Frage sollte sich jede/r ehrlich und vor dem Spiegel stellen. Denn sie ist eigentlich die Frage: „Wer bin ich und wer will ich sein?“

In 14 Tagen geht es im zweiten Teil um „Ruhm und Zufriedenheit“.

 

Selbstständige ArchitektInnen fördern.

Als selbst bekennender Freiberufler und Mitglied der Vereinigung der freischaffenden Architekten (VFA) möchte unser Autor Bernd Schenk das Honorar von 450 Euro als Preisgeld für einen Mikro-Wettbewerb stiften.
Der Wettbewerb besteht in der Einreichung eines Argumentes: „Was ist für mich der wichtigste Grund sich als freiberuflicher Architekt selbstständig zu machen?“ Das kann ein Satz, ein Video, ein Bild sein. Keine Abhandlungen, am besten kurz und knackig. Eure Argumente könnt Ihr bis zum 25. April 2021 an newmonday@georg-media.de senden. Unter den Einsendungen können unsere LeserInnen für die besten drei Beiträge abstimmen.