Als Architektin bei der Baukultur Stadt Mannheim
Das Gemeinschaftshaus Spinelli wurde von Geflüchteten und Studierenden der TU Kaiserslautern gemeinsam errichtet.
Was sind die Aufgaben einer Referentin für Baukultur?
Ich bin seit 2015 als Referentin für Baukultur für die Stadt Mannheim tätig. Dort habe ich neben der Kampagne zum Erhalt der Multihalle auch ein Konzept für die strategische Ausrichtung der Stadt zum Thema Baukultur entwickelt und umgesetzt. Der Fokus liegt auf neuen Formaten zur Verhandlung über die zukünftige Gestalt der Stadt – also ihrer gebauten Umwelt, der öffentlichen Räume und deren Bespielung. In unterschiedlichen Kooperationen sind so Veranstaltungsformate und Projekte an der Schnittstelle zu Kultur, Stadtplanung und stadtgeschichtlich prägenden Themen entstanden. Beispiele dafür sind die Kooperation mit dem MEA (Maison d´architecture européenne) im Rahmen der oberrheinischen Architekturtage oder das Gemeinschaftshaus Spinelli.
Was ist Ihr beruflicher Hintergrund?
Ich hatte schon während meines Studiums an der TU Berlin ein interdisziplinäres Interesse an Architekturtheorie und –soziologie. Danach habe ich einige Jahre ganz klassisch in einem Architekturbüro gearbeitet und eine Zusatzausbildung zur Architektin in der Denkmalpflege gemacht. Deshalb bestand der Schwerpunkt meiner Arbeit in den letzten zehn Jahren darin, kulturelles Erbe zugänglich zu machen, sein Potenzial weiterzuentwickeln, didaktische Konzepte sowie Nutzungskonzepte zu entwickeln und zu verräumlichen – zunächst für die Welterbestätte Kloster Lorsch und seit fünf Jahren für die Stadt Mannheim. Dort lag der Schwerpunkt meiner Arbeit auf dem Projekt „Erhalt der Multihalle“ von Frei Otto. Diese wird bis zur BUGA 23 saniert und als experimentelle Plattform für die Stadtgesellschaft entwickelt.
Auf welches Projekt sind Sie besonders stolz?
Es sind zwei Projekte, auf die ich stolz bin: Das Erste ist das anfangs erwähnte „Gemeinschaftshaus Spinelli“. Dabei handelt es sich um einen kleinen Pavillon, der als Treffpunkt für Flüchtlinge diente. Er wurde unter den gesellschaftlichen Herausforderungen der Flüchtlingskrise 2015/16 entwickelt und von Geflüchteten und Studierenden der TU Kaiserslautern gemeinsam errichtet. Er wird der Bevölkerung zur Eröffnung der BUGA 23 zur Verfügung stehen. Das zweite Projekt ist die Multihalle, die sich durch einen kollaborativen Prozess gerade zu einem Begegnungsort der Mannheimer Bevölkerung entwickelt. Die internationale Protestwelle nach dem Abrissbegehren des Gemeinderats 2016 mündete außerdem im Aufbau eines internationalen Netzwerks mit nachhaltiger Unterstützung unterschiedlicher Institutionen, Universitäten und Kulturschaffender. Beide Projekte geben uns Antworten auf die Frage nach der Zukunft der Stadt, nach ihren öffentlichen Orten, die offen sind für neue Formate des gemeinschaftlichen Handelns.
Wie unterscheidet sich die Städtebaupolitik von Mannheim gegenüber anderen Städten?
Mannheim verfolgt unter anderem den Ansatz einer kultur- und kreativwirtschaftlich getriebenen Stadtentwicklung. Das Ergebnis ist eine stärkere Durchmischung der Milieus und eine soziale Stabilisierung des jeweiligen Umfelds. Dabei sind Institutionen wie die Popakademie, der Musikpark und die Stabstelle Kulturelle Stadtentwicklung entstanden. Neben den „Standardwerkzeugen“ der Baukultur hat Mannheim 2015 auch die Stabstelle für Baukultur eingerichtet. Dort wird das Thema Bauen unter Berücksichtigung der Gesamtheit aller kulturellen, ökonomischen, technischen, sozialen und ökologischen Aspekte behandelt.
Wie würden Sie den Begriff Baukultur definieren?
Baukultur ist weitaus mehr als eine ästhetische Qualitätssicherung. Sie ist ein Prozess, der die oben genannten Aspekte in eine Verhandlung über die zukünftige Gestalt unserer Städte und ihrer öffentlichen Räume überführt. Ein Ziel dabei wäre es, weg von einer investoren- und hin zu einer nutzergetriebenen Architektur- und Stadtentwicklung zu kommen. Baukulturvermittlung kann dabei ein Interesse der Menschen an ihrer Stadt erzeugen, und sie dazu ermächtigen, selbst Verantwortung für ihre gebaute Umwelt zu übernehmen. Handlungsorientierte Placemaking-Projekte wie das Gemeinschaftshaus Spinelli und die Multihalle ermöglichen eine konkrete Teilhabe an der Gestaltung des eigenen Umfelds. Sie fördern das Wohlbefinden der Menschen sowohl in wirtschaftlicher als auch sozialer Hinsicht.