Wege in die Selbstständigkeit während und nach dem Studium
Die Geschichte von landstrich beginnt im Mai 2016, als Gero Engeser und Matthias Oberfrank – damals beide noch mitten im Studium – ihre Leidenschaft fürs Zeichnen entdeckten. Bei einem ELASA-Treffen (European Landscape Architecture Student Association) in Slowenien denken die beiden Studenten zum ersten Mal darüber nach, sich gemeinsam selbstständig zu machen. Beide hatten schon zuvor als Zeichentutoren an der Universität gearbeitet und kannten sich von diversen Zeichenexkursionen. Der Launch der Website und erste Aufträge als Duo ließen letztendlich aber noch bis 2017 auf sich warten. „Vor allem, weil wir ewig nach einem Namen für das Ganze gesucht haben“ begründen die beiden die Verzögerung. Doch wie etablierten sie sich als junge „No-Names“ und schafften es Aufträge an Land zu ziehen?
Gero Engeser und Matthias Oberfrank von landstrich machten sich mit Zeichnungen und Visualisierungsarbeiten für die Landschaftsarchitektur selbstständig. Bild: landstrich
Netzwerk aufbauen und Bekanntheit erweitern
Das Schlüsselwort heißt dabei Beziehungen und vielleicht auch Wohlwollen von erfahrenen KollegInnen. Weshalb sie sich bei Harry Dobrzanski (die-grille Visualisierungen) und bei den Toponauten Freising bedanken möchten. Die LandschaftsarchitektInnen standen ihnen von Anfang an mit kleinen Aufträgen und Ratschlägen zur Seite. Gero Engeser und Matthias Oberfrank profitierten außerdem von ehemaligen KommilitonInnen, die nun in Büros tätig waren und die Arbeit der beiden weiterempfahlen. In der Landschaftsarchitektur sei die Branche so klein und verknüpft, dass sich viel über Mundpropaganda verbreite. Umso wichtiger können soziale Medien werden, um den Bekanntheitsgrad zu steigern, sich gleichzeitig mit Kreativen aus ähnlichen Branchen auszutauschen und sich gegenseitig zu inspirieren. Instagram ist dabei derzeit das Mittel der Wahl. Manchmal habe man natürlich, auch einfach Glück und könne mit einem guten Projekt sein Standing etablieren: „Besonders hilfreich sind natürlich immer erfolgreiche Wettbewerbsbeiträge oder Aufträge wie die Visualisierung für die Stadt Freising zum aktuellen Innenstadtumbau, da hat man dann gleich ein größeres Publikum.“, meint Oberfrank. Mittlerweile kommen viele Büros von selbst auf die beiden zu und erkundigen sich nach den Konditionen.
Steuern und Anmeldung
Konditionen – ein gutes Stichwort für die relevanten Rahmenbedingungen, die als Selbstständiger zu beachten sind. Gero Engeser war bereits seit 2014 (Anlass damals die Mitarbeit beim Magazin nodium) selbstständig gemeldet, Matthias Oberfrank dann nach den ersten Auftragsarbeiten. Die beiden sind separat freiberuflich tätig und stellen auch bei gemeinsamen Aufträgen separate Rechnungen, um sich eine gemeinsame Buchführung zu ersparen. Formal gesehen ist landstrich also eine offene Kooperation auf der Basis projektbezogener Zusammenarbeit. „Die Buchführung erleichtert außerdem, dass wir bei den Summen, mit denen wir im Moment noch zu tun haben, als Kleinunternehmer arbeiten können und uns daher keine Gedanken über Umsatzsteuer etc. zu machen brauchen.“, sagt Engeser. § 19 des Umsatzsteuergesetzes besagt, dass bei GründerInnen, deren Umsatz im ersten Kalenderjahr weniger als 22.000 Euro brutto beträgt, die Umsatzsteuer nicht erhoben wird. „Man muss natürlich eine Steuererklärung machen und da die Einkünfte und Ausgaben in eine Einkommensüberschussrechnung eintragen – das ist aber kein Hexenwerk, wenn man es einmal verstanden hat.“, führt er weiter aus. Als FreiberuflerIn meldet man zwar kein Gewerbe an, man muss aber das Finanzamt schriftlich oder telefonisch über die Existenzgründung informieren. Wenn eine Steuererklärung abgegeben und man vergessen hat sich anzumelden, reagieren die meisten Finanzämter kulant. Zahlt man allerdings keine Steuern, droht ein Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung, weshalb eine Steuererklärung zwingend notwendig ist. Kompliziert kann es auch werden, wenn neben der Tätigkeit noch Bafög bezogen wird. Dann sollte darauf geachtet werden, die jeweiligen Grenzwerte nicht zu übersteigen, indem Aufträge entsprechend eingeteilt werden. Gleiches gilt für Versicherungsbeiträge: Um als StudentIn versichert zu bleiben, dürfen die Arbeitszeit 20 Stunden pro Woche und die Einkünfte, die von der jeweiligen Krankenkasse festgesetzten Verdienstgrenzen nicht überschreiten.
Potenziale und Defizite
Mögen die Formalitäten und Verantwortungen, die man plötzlich selbst überblicken muss, anfangs vielleicht abschreckend wirken, hat die Freiberuflichkeit während des Studiums doch auch klare Vorteile. „Wer selbständig ist, kann sich seine Arbeitszeit frei einteilen und es stört niemanden, wenn man mal eine Perspektive von 22 Uhr bis 5 Uhr morgens macht. Auch ist man nicht an Urlaubstage oder Betriebsferien gebunden, was ganz lässig ist.“, betont Engeser. Weiterhin hat man selbst eine große Entscheidungsgewalt, wie sie im Büroalltag anfangs vielleicht noch nicht gegeben ist. Gero und Matthias verweisen dazu auf ein Angebot, das vor einiger Zeit einging: „Wir hatten mal eine Anfrage für ein Projekt in Saudi-Arabien, bei dem es um Luxus-Parkanlagen ging. Die Perspektiven zu zeichnen, hätte sicher Spaß gemacht, aber der ganze Hintergrund und die Inhalte waren nicht das, wofür wir stehen und stehen wollen, sodass man bei sowas schon manchmal in eine ethische Zwickmühle kommt.“ Die Möglichkeit auch einmal ein Projekt abzusagen, ist ein Privileg und gerade für junge GründerInnen nicht immer einfach. „Natürlich hat man auch immer die Unsicherheit, ob überhaupt genug Aufträge reinkommen, damit sich das Ganze lohnt“ berichtet Matthias, der deshalb derzeit auch noch auf 60 Prozent im klassischen Landschaftsarchitekturbüro arbeitet. Als Sicherheit, aber auch aus Interesse. Denn in der reinen Visualisierungsarbeit, die sie derzeit anbieten, sehen die beiden trotz aller Freude daran, gleichzeitig eine Einschränkung. „Ob wir langfristig damit zufrieden sein werden, immer nur die Ideen von anderen hübsch zu machen, muss sich auch noch zeigen. Bei manchen Wettbewerbsbeiträgen, für die wir angefragt werden, merkt man schon, dass die Ansätze und Vorstellungen darüber, was gute Landschaftsarchitektur ist, sehr weit oder auch zu weit auseinander liegen. Deshalb würden wir schon auch gerne noch mehr selbst entwerfen in Zukunft.“, meint Oberfrank. Auch in dieser Einsicht steckt aber eine Erkenntnis. Deshalb entwickelt landstrich sein Repertoire bereits jetzt ständig weiter und passt es den eigenen Interessen an. Gero und Matthias bieten mittlerweile auch offene Zeichenrunden in Freising an und könnten sich für die Zukunft neben der Entwurfsarbeit auch vorstellen, Workshops zu halten, Stadtspaziergänge anzubieten oder einen Blog zu gestalten.
Abschließend lässt sich festhalten, dass es hilfreich ist sich frühzeitig mit Tätigkeitsmöglichkeiten auseinanderzusetzen. Oberfrank fasst zusammen: „Dass wir schon während des Studiums mit der Selbständigkeit angefangen haben, erleichtert natürlich den Schritt in die „richtige“ Selbständigkeit am Ende, weil es schon einen kleinen Kundenstamm gibt und wir die Abläufe bereits kennen.“ Ganz nach dem Vorsatz früh übt sich, kann die Freiberuflichkeit bereits während des Studiums, den Horizont erweitern und den Weg in die eigene berufliche Zukunft weisen.
Die wichtigsten To-Dos für die Existenzgründung
- Soziale Medien nutzen, um den Bekanntheitsgrad zu steigern
- Umsatzsteuer muss nur zahlen, wer mehr als 22.000 Euro brutto Umsatz macht. (§ 19 des Umsatzsteuergesetzes besagt)
- Das Finanzamt schriftlich oder telefonisch über die Existenzgründung informieren. Eine Gewerbeanmeldung ist nicht notwendig
- Steuererklärung nicht vergessen!
Für Studierende:
- Versicherungsbeiträge: Um als StudentIn versichert zu bleiben, dürfen die Arbeitszeit 20 Stunden pro Woche und die Einkünfte, die von der jeweiligen Krankenkasse festgesetzten Verdienstgrenzen nicht überschritten werden.
- Bafög: Darauf achten, dass die jeweiligen Grenzwerte nicht zu übersteigen, indem Aufträge entsprechend eingeteilt werden