Na toll, und jetzt? BNGRT.
Heute: BNGRT
BNGRT ist Florian Bengert. Bild: Damian Platten.
Florian Bengert studierte Architektur am KIT und war Gaststudent an der HfG Karlsruhe. Seine Abschlussarbeit über das Smartphone als Architekturmaschine des 21. Jahrhunderts wurde mit Friedrich-Weinbrenner-Preis 2017 ausgezeichnet. Derzeit lebt und arbeitet er in München und promoviert am KIT Lehrstuhl für Architekturtheorie bei Prof. Dr. Georg Vrachliotis. Nebenbei ist Florian Bengert unter dem Namen BNGRT aktiv, um sich frei zwischen Theorie und Praxis, Forschung und Lehre und zwischen Büroalltag und ersten kleineren Projekten bewegen zu können. BNGRT besteht nur aus ihm und ist von seinem Nachnamen abgeleitet. Obwohl er in der Buchstabenfolge keine tiefere Bedeutung hineinlesen mag, kann man es auch als Akronym lesen: Bold Next Generation Research Tactics.
Dein größter Erfolg?
Wahrscheinlich der Wechsel zum Architekturstudium. Denn erst dadurch ist es mir gelungen, nun tagtäglich dem nachzugehen, wofür ich brenne. Dann kommt hinzu, dass mein Wirken in Highlights mündete wie der Teilnahme beim diesjährigem XIV. Internationalen Bauhaus-Kolloquium oder Ausstellungs- und Symposienbeiträgen, wie zum Beispiel im Haus der Architektur (Graz 2017), im MAXXI National Museum of 21st Century Arts (Rom 2017) oder der Architekturbiennale (Venedig 2012). Für diese ersten Meilensteine bin ich nicht nur unglaublich dankbar, sondern das spornt mich an, weiter meinen Überzeugungen und Inhalten nachzugehen.
Was raubt Dir nachts den Schlaf?
Summende Stechmücken, lärmende Nachbarn und nicht nachvollziehbare Jury-Entscheidungen…
Waren, Menschen, Kapital, Daten und Bilder werden in der heutigen Zeit bewegt. Die Logistikzentren, die dafür erschaffen werden haben keine menschlichen Maßstäbe. Das am Fachgebiet Raum+Entwerfen entstandene Projekt „Space in Time“ schlägt Designmethoden vor, wie man diese Architekturen in erlebbare Strukturen transformieren kann.
Welches Projekt hat Dich zuletzt sprachlos gemacht?
Ich habe vor Kurzem das Atelier von Hermann Rosa hier in München besichtigt, das er Mitte der 1960er selber nach eigenem Entwurf errichtete. Als ich den radikalen Raum aus Beton, Glas und Stahl betrat war ich sprachlos. Ein Gegenpol zu diesem Low-Tech-Beton-Minimalismus ist das von Amazon veröffentlichte Patent für ein „Multi-Level Fulfillment Center for Unmanned Aerial Vehicles“ (2017), das ich unter anderem im Rahmen meiner Promotion untersuche. Das Patent zeigt einen Bienenstock ähnlichen Turm, der als innerstädtischer Distributionspunkt im Netz der Paketauslieferung via Drohnen fungiert. Der Entwurf macht mich nicht nur sprachlos, sondern fasziniert mich zugleich. In Zukunft wird der Mensch verstärkt Gebäude für Maschinen errichten und nicht mehr ausschließlich für sich selbst. Das eröffnet neue Horizonte, Synergien und schafft neue Typologien. Diesen Wandel dürfen Architekten nicht verschlafen, sondern sollten ihn durch technifizierte Bausteine mitgestalten.
Was fasziniert Dich am meisten in der Architektur?
Wir als Architekten haben das Privileg technisch, wissenschaftlich, theoretisch, räumlich, grafisch-künstlerisch, politisch wie soziokulturell arbeiten zu können. Kurzum: Wir sind Gesellschaftsgestalter mit einem gewissen katalysatorischen Moment. Die Architektur ist somit unser kritisches Werkzeug, um Position oder Gegenposition zu beziehen. Sie kann radikal vorzeigen, was sozial, ökonomisch und politisch gut oder aber schief läuft. Als Architekt sollte man sich dieser Schlagkraft bewusst sein und überlegen, wie aktuelle Tendenzen in der Gesellschaft räumlich gestärkt oder geschwächt werden könnten. Am meisten fasziniert mich dabei, dass wir gar nicht mehr zwangsläufig bauen müssen, um solche Denkanstöße zu geben.
Was können Architekten dann anstelle dessen tun?
Davon war schon Hans Hollein vor 50 Jahren überzeugt als er sagte, dass Architekten aufhören müssten „nur in Bauwerken zu denken“. Ich glaube, wir müssen sie als narratives Medium begreifen, denn bereits der unrealisierte (und vielleicht auch utopische) Entwurf kann nötige Impulse setzen. Persönlich überzeugt mich daher eine Architektur, die vom Menschen und dessen digitaler Interaktion ausgeht. Erst wenn wieder ein solcher konkreter Nutzer in den Fokus unserer Arbeit rückt, kann man eine Umwelt für die Gesellschaft im Umbruch gestalten anstatt sich eine Zukuft von globalen Kommunikationstechnologiekonzernen aufdiktieren zu lassen.
BNGRT ist fasziniert von Experimenten im öffentlichen Raum: Ein Poster, das in einem Ort A entworfen wurde, an einem Ort B gedruckt wurde und an Ort C ausgestellt ist. So landete dieses Plakat in Trinidad Tobago. Es soll Passanten anregen anzuhalten und sich zu wundern. Zu wundern wieso es dort hängt, was es aussagt oder was es ist. Vor allem aber soll es die Passanten zum Nachdenken anregen. Bilder © Kriston Chen/ Toofprints
Wer hat Dich in Deinem Studium geprägt?
Neben dem Arbeitsumfeld im Studio haben mich insbesondere die Lehrstühle Raum+Entwerfen und Architekturtheorie geprägt, die mit Seminaren und Entwürfen die Studenten motivierten, unkonventionell und spekulativ zu denken. Nicht zu vergessen waren es aber auch die Städte Karlsruhe, Basel und vor allem die Arbeit in der Berliner ARCH+ Redaktion, die prägende Spuren hinterlassen haben. Somit reifte im Studium mit all seinen Zwischenstationen und Nebenschauplätzen die Überzeugung, dass es unglaublich wichtig ist, eine eigene Haltung zu den Dingen zu entwickeln und diese zu äußern.
Von wegen Young Professionals: letzte peinliche Aktion?
Grundsätzlich bin ich überzeugt, dass man sich selbst nicht zu ernst nehmen sollte. Man muss einfach auch mal über sich selbst lachen können. Zum Beispiel beim peinlichen Klassiker: Mails ohne Anhang versenden.
Der Ausstellungs- und Symposiumsbeitrag in der Fondazione MAXXI in Rom beschäftigt sich mit Medienlandschaften, also Landschaften in denen wir uns als Nutzer täglich online bewegen und wie man diese darstellen kann. In Anlehnung an Henry David Thoreaus Erzählung „Walden“ (1854) entwarf Florian Bengert vier aufgeständerte Hütten, die unser mediales Handeln veranschaulichen sollen. Die Thoreau’schen Hütten sind Metaphern für digitale Räume und Rollen zwischen denen wir pausenlos wechseln.
‚Nine to five‘ oder doch eher ‚eleven to ten‘?
Wenn es notwendig ist, bin auch ich ein Freund von langen Tagen und kurzen Nächten, aber das sollte keinesfalls der Normalzustand sein. Sich in Endlosschleifen unnötig zu verpulvern und kaputt zu machen gehört zwar zum guten Ton unserer Branche dazu, aber ich bin grundsätzlich davon überzeugt, dass auch auf anderen Wegen gute Architektur entstehen kann.
Was ist das nächste Ziel?
Klar sind da das Tagesgeschäft, die Promotion, Lehrauftrag, fertig zu stellende Text- und Redebeiträge bis hin zum Umbau eines historischen Schwarzwaldhofes – allesamt viele spannende Etappenziele, die einem großen Ganzen dienen: Zukünftig mehr bewegen zu können! Dazu würde ich gerne nicht nur Studenten animieren, die gegenwärtigen Produktionsmodelle von Architektur und Stadt zu hinterfragen. Viel mehr ist es wichtig auch Teile der breiten Masse für einen zeitgenössischen Architekturdiskurs zu sensibilisieren, um gemeinsam zu hinterfragen, wie unsere technifizierte Umwelt gestaltet werden kann. Nur dann kann man die Gegenwart neu erkunden und zukunftsoptimistische Experimente anregen.
Das Format "Na toll, und jetzt" entsteht im Rahmen der Baumeister Academy: ein Praktikumsprojekt des Architekturmagazins Baumeister und wird unterstützt von GRAPHISOFT und der BAU 2019.