"Wer in einem Video-Call seine Sache gut meistert, wird auch in echt bestehen – und umgekehrt."
Worauf achten Sie besonders während des Gesprächs bei Bewerbern?
Wie hat er sich auf diesen Video-Auftritt vorbereitet? Ist er bereits vertraut mit einer solchen Situation oder wirkt er vielleicht sogar bockig, weil ihm diese digitale Bewerbungsvariante nicht gefällt? Wer in einem Video-Call seine Sache gut meistert, wird auch in echt bestehen – und umgekehrt.
Ihr Tipp an alle Personaler, die zum ersten Mal ein Bewerbungsgespräch per Videokonferenz führen?
Verhalten Sie sich so professionell, wie Sie es umgekehrt von Ihrem Bewerber erwarten! Wir haben schon Calls erlebt, wo die Arbeitgeber sich ins hinterste Eck eines Raumes gesetzt haben, so dass man nur Nuscheln gehört und verdunkelte Gesichter gesehen hat. Und denken Sie immer daran: Natürlich ist für einen Kandidaten eine Videokonferenz anstrengender, auch weil die nonverbale Kommunikation manchmal eingeschränkt oder zeitverzögert erfolgt. Wenn der Bewerber fachlich überzeugen kann, darf man ihm also kleine Unsicherheiten im Videocall auch gerne verzeihen.
Was ist die größte Schwierigkeit beim Remote-Recruiting?
Dass man kein direktes Gefühl füreinander bekommt. Aber wir erleben derzeit, dass viele unserer Kunden nur die Erstgespräche per Videocall führen und für die nächste Runde ein echtes Treffen arrangieren – unter Einhaltung aller Hygienemaßnahmen geht das ja auch.
Wie kann man dem Bewerber dennoch einen Einblick über die Bürokultur verschaffen?
Wir erleben gerade eine signifikante Erneuerung durch die Digitalisierung - die COVID-19-Krise hat vielen Unternehmen einen Raketenstart Richtung New Work verpasst. So wie Personalverantwortliche nach Mitarbeitenden suchen, die dynamisch denken und handeln, darf das auch umgekehrt gelten. Wenn ich als Bewerber eine technisch topaktuelle Videoausstattung in einem modernen Konferenzraum erlebe, werde ich das Gefühl mitnehmen, das Unternehmen ist auf dem richtigen Weg. Wenn ich aber inhaltlich höre, Home Office oder flexible Arbeitszeiten sind bei einer Firma nur zu Zeiten der Krise gewünscht, sollte ich mir auch überlegen, ob das für mich überhaupt passt.
Was sollte während des Gesprächs auf dem Schreibtisch liegen?
Sicherlich die Vita des Bewerbers. Aber zu viel Material wie Firmenpräsentationen oder Prospekte lenken nur ab. Der Kandidat soll sich auf das Gegenüber konzentrieren können. Und auch hier gilt: Ein Handy, dessen blinkende Nachrichten vom Gespräch ablenken, hat auf keiner Seite des Videocalls etwas zu suchen.
Zur Person:
Carin Pawlak ist seit 2015 Personalberaterin bei HAPEKO Hanseatisches Personalkontor Deutschland und inzwischen Mitglied der Geschäftsleitung sowie Regionalleiterin Bayern. Zuvor war sie viele Jahre in der Medienbranche tätig, zuletzt in der Chefredaktion des Nachrichtenmagazins FOCUS. Sie studierte Literatur und Kunstgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München.