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Wie lässt sich die Öffentlichkeit in Architekturwettbewerbe einbinden?

Planungs- und Realisierungswettbewerbe machen es längst vor: Bürgerinnen und Nutzer einbinden, sie beteiligen an der Lösungsfindung, die Stadtentwicklung kooperativ vorantreiben. Nicht nur der steigende Wunsch nach mehr Bürgerbeteiligung steht hier im Vordergrund, sondern die Hoffnungen, das bestmögliche Ergebnis zu erreichen und die Qualität von Bauvorhaben zu steigern. Von Desirée Balthasar
Veröffentlicht am 10.10.2019

Hoffnung auf höhere Akzeptanz

Übertragen auf Architekturwettbewerbe, könnte eine Beteiligung dazu führen, dass Bürger die Wettbewerbsentscheidung nachvollziehen und das Vorhaben besser akzeptieren können und dass die Bedarfe der Nutzerinnen konkreter erfasst werden. „In den vergangenen Jahren hat sich die Forderung der Öffentlichkeit nach Partizipation in Planungsprozessen im öffentlichen Raum und in Städten zunehmend verstärkt“, sagt Edda Kurz, Architektin und Vizepräsidentin des Vorstands der Architektenkammer Rheinland-Pfalz

Als Beispiel nennt Kurz das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21. Das Projekt war lange geplant, aber die Öffentlichkeit wurde erst darauf aufmerksam, als der Bau bereits begonnen hatte. Die starken Widerstände, die folgten, wurden deutschlandweit diskutiert und intensiv beobachtet. „Grundsätzlich muss für einen erfolgreichen Planungs- und Partizipationsprozess die Beteiligung der Öffentlichkeit von Beginn an – also sehr früh – erfolgen. Das Problem dabei ist, dass das Interesse erst wächst, wenn man ‚etwas sehen‘ kann“, sagt die Architektin Kurz. Daher ist es wichtig, gerade in den frühen Planungsphasen, wo die Inhalte oft noch als abstrakt und theoretisch empfunden werden, die Öffentlichkeit durch gut gestaltete Kommunikationsprozesse einzubinden. Das heißt, frühzeitig aktiv auf die Bürgerinnen und Bürger zugehen!“

Die Richtlinie für Planungswettbewerbe (RPW), in ihrer aktuellen Fassung von 2013, definiert konkrete Bedingungen, unter denen Architekturwettbewerbe stattzufinden haben. Die RPW beruht auf sechs zentralen Grundsätzen: die Gleichbehandlung aller Teilnehmenden, die klare Aufgabenstellung, ein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis, ein kompetentes Preisgericht, die Anonymität der Wettbewerbsbeiträge und das Auftragsversprechen. Bei Wettbewerben sind zudem die Vorschriften der VOF anzuwenden, sollte der Schwellenwert nach der EU-Vergabeverordnung überschritten werden.

Eine Anleitung

Die Frage ist, wie Partizipation bei einer öffentlichen Ausschreibung RPW-konform umgesetzt werden kann. Dazu hat die Architektenkammer Rheinland-Pfalz die Publikation „Mehr Partizipation – Hinweise zu Partizipationsoptionen in Wettbewerben“ herausgegeben: 
Ein besonderes Augenmerk legt das Papier auf die Projektvorbereitung. Die Chance einer derart frühen Beteiligung liege darin, grundlegende Fragen zu formulieren, Rahmenbedingungen und Erwartungen werden geklärt. In der angrenzenden Phase, in der die Auslobung formuliert wird, sollten sowohl Entscheidungsträger als auch Nutzende eingebunden sein und zur Beantwortung inhaltlicher Fragen beitragen. 

Grundsätzlich gilt für die Öffentlichkeitsbeteiligung, je früher desto besser. „Zu Beginn können Bürger noch viel beeinflussen, da hier die grundsätzlichen Entscheidungen gefällt werden. Auch die Verwaltung kann viel Input mitnehmen, weil Dinge angesprochen werden, die nur den Anwohnern vor Ort auffallen“, sagt Vizepräsidentin Kurz. 

Die Architektenkammer sieht auch in der Bearbeitungsphase Möglichkeiten der Partizipation bei Zwischenpräsentationen. So könnte etwa das Kolloquium in einem öffentlichen Termin durchgeführt werden. So könnten sich die teilnehmenden Büros ein differenziertes Bild über Meinungen und Anforderungen des Auftrags verschaffen. Während der Vorprüfung und der eigentlichen Jurysitzungen würde es sich empfehlen, einzelne Vertreter, etwa von Bürgerschaftsinitiativen, als Sachverständige zu entsenden. Während der eigentlichen Jurysitzung gibt es darüber hinaus die Möglichkeit, Personen ohne Stimmrecht teilnehmen zu lassen, die in der Diskussion mitwirken. 

Von Anfang an dabei

Bei einer Bürgerbeteiligung nach der Preisgerichtsentscheidung rät die Architektenkammer zur Vorsicht. Denn die Entscheidung der Jury zu revidieren, sei nicht im Sinne einer Auslobung und rechtlich nur schwer umzusetzen. Hier gäbe es einzig bei Projekten mit geringer Komplexität die Möglichkeit, dass der Wettbewerb mit gleichrangigen Preisen ausgelobt wird und während eines anschließenden Partizipationsprozesses entschieden wird. Dies sollte aber eine absolute Ausnahme darstellen. Im weiteren Planungsprozess könne die Einbindung der Bürgerinnen durchaus Sinn machen, da hier häufig noch relevante Entscheidungen getroffen werden. Außerdem empfehle es sich, die prämierten Arbeiten vorzustellen und die Beweggründe der Jury zu erläutern.

Wer die Bürgerinnen erst am Ende einbindet, der führt eher eine Informationsveranstaltung durch. Doch auch diese hat ihre Berechtigung. Es gilt stets, überhaupt im Dialog zu bleiben. „Eine Beteiligung endet nicht nach der Baugenehmigung! Wenn man eine Partizipation begonnen hat, sollte man diesen Kommunikationsprozess auch bis zum Ende führen. Es soll bei der Bevölkerung nicht das Gefühl entstehen, dass sie anfangs viel Engagement hineingesteckt hat und am Schluss nichts mehr von der Realisierung mitbekommt“, sagt Vizepräsidentin Kurz.

Debatte mit Vorteilen

Überhaupt bietet der Austausch zwischen Fachkräften, Bewohnern und Nutzern großes Potenzial, das gegenseitige Verständnis zu steigern. „Es braucht den direkten Austausch mit der Möglichkeit zur Diskussion“, ist Caren Ohrhallinger überzeugt, Geschäftsführerin des Architekturbüros Nonconform. Sie hat in ihrer Arbeit mit Architekturbüros, Kommunen und Bürgern beobachtet, dass alle Seiten profitieren können. 

Nutzer lernen, wie Architekten ticken, sie lernen Grundrisse zu lesen und warum manche Lösungen aus Fachperspektive ästhetisch oder funktionell beurteilt werden. Auf der anderen Seite lernen Architekturschaffende, ihre Entwürfe verständlich für Laien zu erklären und Nutzungsperspektiven zu sehen. „So entsteht eine gegenseitige Wertschätzung, wo sonst oft Vorurteile und Missverständnisse vorherrschen“, sagt Architektin Ohrhallinger.

In dieser Lesart werden Bürgerinnen zu lokalen Wissensträgern und Experten vor Ort. Das soziale Umfeld eines Bauprojekts wird berücksichtigt. Funktionalität, Nutzung und Auswirkungen auf den Lebensalltag rücken in den Fokus. Nach fast einem Dutzend derartig durchgeführter Wettbewerbe zieht Ohrhallinger ein positives Resümee: „Das Feedback der Planenden ist im Allgemeinen positiv. Als besonders wertvoll empfinden viele die Rückkopplung in der Entwurfsphase. Für die Qualität der Ergebnisse macht Partizipation tatsächlich einen immensen Unterschied.“ Planende werden zu Lösungs-Ermöglichern im Spannungsfeld zwischen Vorschriften und Bedürfnissen. 

Ein weiterer positiver Punkt ist die Qualität der Auslobungsunterlagen. „Häufig sind diese unscharf oder als Standardprogramm formuliert. Wenn die Nutzer im Wettbewerb eingebunden werden, dann wird die Aufgabenstellung in den Auslobungsunterlagen tiefgreifender formuliert und damit klarer und treffsicherer“, sagt Ohrhallinger.

Auch sie spricht sich für eine möglichst frühe Beteiligung aus: „Aufwand und Finanzmittel werden am besten in Phase Null eingesetzt. Zu diesem Zeitpunkt haben sie die meisten Auswirkungen. Wenn Aufgabenstellung und Planung feststehen, lassen sich Änderungen nur noch mit höherem zeitlichen und finanziellen Aufwand durchführen.“

Dieser Artikel stammt aus der Novemberausgabe 2019 des Baumeisters. Das Architekturmagazin wird – ebenso wie New Monday – von GEORG Media herausgegeben.

 

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