Von alten Baustoffen zu neuen Produkten – They Feed Off Buildings
Was macht ihr bei They Feed Off Buildings genau?
Wir fertigen maßgeschneiderte Lösungen für die Produktbedürfnisse eines Bauprojekts an. Und die entwickeln wir aus Materialresten. Dafür schauen wir, was an Recyclingmaterial vorhanden ist und überlegen, wie man diese Ressource in etwas Neues verwandeln kann – zum Beispiel in neue Bodenbeläge oder in Mobiliar. Es gibt eine erste Phase, in der eine Materialbibliothek beauftragt wird. Da kommt dann ein Architekt auf uns zu, zeigt uns einen Werkstoff wie zum Beispiel alte Fließen, und fragt was man daraus machen könnte. Wir entwickeln dann zusammen mit Handwerksbetrieben eine Serie an Materialproben und klären danach die Skalierung und Einbaubarkeit. Es ist eigentlich nicht anders als bei einem herkömmlichen Entwurfsprozess.
Wie seid ihr darauf gekommen?
Wir sind beide in der Architektur tätig – Luisa ist Stadtplanerin und Produktdesignerin. Ich bin ebenfalls Produktdesignerin. Aus diesem Hintergrund hat sich das Projekt „Urban Terrazzo“ entwickelt, weil wir festgestellt haben, dass die Ästhetik beim Recycling von Materialien meistens keine Rolle spielt. Ein Beispiel dafür sind die Aufschüttungen im Straßenbau. Da kommen zerkleinerte Gebäudeteile zum Einsatz und werden unter den Asphalt gekippt. Das fanden wir schade, weil es sich dabei um architektonische Spuren handelt, die im wahrsten Sinne des Wortes verschüttet werden. Mit „Urban Terrazzo“ wollen wir diese Spuren freilegen, indem wir Beton, Ziegel und andere Baustoffe selektieren und nach den Prinzipien der traditionellen Terrazzo-Kunst und mit Hilfe zeitgenössischer Technologie wieder zusammenfügen. Die aus Bauschutt gewonnenen Zuschläge lassen die Erinnerung an das abgerissene Bauwerk im neuen Material fortleben. Wir waren dafür am Anfang viel auf Recyclinghöfen unterwegs. Es gibt ja tollerweise eine bestehende Infrastruktur für den Abriss, der dann vor die Städte gebracht wird. Mit diesen Höfen haben wir eng zusammengearbeitet und daraus eine Materialpalette und eine Strategie entwickelt.
Euer Team scheint vielfältig aufgestellt zu sein. Aus welchen Disziplinen kommen die einzelnen Mitarbeiter?
Da wir projektbezogen arbeiten, holen wir uns jeweils Leute mit dazu, die wir für die jeweilige Aufgabe benötigen. Um ein Beispiel zu nennen: Neben unseren Architekturprojekten machen wir zusätzlich auch Kulturprojekte, bei denen es um eine Art experimentelle Denkmalpflege geht – wie in Prag, wo gerade ein altes Umspannwerk in eine Kunsthalle umgebaut wird. Die alte Fassade bleibt dort erhalten, während die Räume im Innern neu gestaltet werden. Den Bauherren war eine Verbindung von Alt und Neu wichtig. Die von uns entwickelte Materialität für die Böden und den Empfangstresen ist deshalb ein Verbindungselement zwischen den zeitlichen Schichten. Dazu haben wir auch einen Film gemacht, der den Transformationsprozess dokumentiert und der im Eingangsbereich der Kulturhalle als eigenes Ausstellungsexponat zu sehen sein wird. Dafür haben wir mit dem Fotografen Hannes Wiedemann und dem Filmemacher Sven Gutjahr zusammengearbeitet.
Ihr interpretiert den Begriff „Nachhaltigkeit“ demnach vor allem theoretisch und auch ästhetisch...
Uns geht es darum, mit dem herkömmlichen Bild von Nachhaltigkeit zu brechen. Die von der Medienlandschaft transportierten Bildwelten haben ja immer diese Öko-Ästhetik. Oder anders gesagt: Solange viel Grün an der Fassade ist, ist alles gut. Uns ist es wichtig, sich kritisch mit diesen Bildern auseinanderzusetzen und eine eigene Erzählweise zu entwickeln. Um nochmal auf unser Projekt „Urban Terrazzo“ zu kommen: Dort könnte man natürlich kritisch hinterfragen, ob da überhaupt genügend Recyclingmaterial verbaut wird. Uns geht es dabei aber um das Freilegen der Geschichte der Baustoffe – und damit um eine Wertschätzung gegenüber dem Alten. Wenn man keine sinnliche Beziehung zu einem Objekt entwickelt, dann wird es irgendwann entsorgt, egal ob es ökologisch wertvoll ist oder nicht. Und es dürfte ja jedem klar sein, dass ein Gebäude, das die Jahrhunderte überdauert, nachhaltiger ist als jede Wärmedämmung.
Rasa Weber (links) und Luisa Rubisch von They Feed Off Buildings sind beide Produktdesignerinnen und beschäftigen sich unter anderem mit den ästhetischen Aspekten vonNachhaltigkeit. Bild: Rat für Formgebung
Das Thema Recycling und Nachhaltigkeit hat in den letzten Jahren stark an Prominenz gewonnen. Mittlerweile gibt es einige Büros und Plattformen, die im Bereich Architekturrecycling tätig sind. Seid ihr mit anderen Protagonisten vernetzt?
In unserem spezifischen Bereich eigentlich nicht. Es gibt für uns aber eine wichtige theoretische Referenz: Das ist die Arbeit des Architekten Thomas Rau, der eine Strategie auf EU-Ebene verfolgt, in der es darum geht, dass man einen Materialpass für jedes Gebäude entwickelt und die vorhandenen Wertstoffe kartiert. Ziel dieses Passes ist, dass es keinen Abfall mehr gibt, sondern dass alle Materialien wiederverwertbar sind. Und wir merken auch, dass die Fördergelder langsam in diese Richtung fließen, weil langsam allen klar wird, dass Ressourcen nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen.
Arbeitet ihr auch mit Universitäten zusammen?
Ich unterrichte momentan an der Hochschule Anhalt in Dessau (Bauhaus). Davor war ich an der UDK in Berlin in der Lehre tätig und habe dort in einem Fachbereich, der sich Digital und Experimental Design nennt, unterrichtet. Dort ging es unter anderem um die Transformationskraft von Materialien und darum, den Studenten die haptische Qualität von Architektur zu vermitteln. Also zum einen um Materialrecherche, gleichzeitig aber auch um die Erzählungen, die den jeweiligen Materialien innewohnen.