Von der Wiederverwendung von alten Bauteilen – baubüro in situ
Wie würden Sie die Philosophie Ihres Büros beschreiben?
Wir bauen pragmatisch nachhaltig im und mit dem Bestand: Bei unseren Sanierungen und Erweiterungen versuchen wir immer, zusammen mit unseren Bauherrschaften, einen pragmatischen Weg zu gehen. Das Ziel ist, möglichst viel Bestehendes zu erhalten, Gebrauchtes einzusetzen, mit Rücksicht auf die Nutzerbedürfnisse jetzt, aber auch mit Blick auf das was kommt. Dabei spielt die Wiederverwendung von gebrauchtem Material und Bauteilen eine immer größere Rolle!
Was ist die Geschichte des Büros?
Barbara Buser, Mitbegründerin u.a. des baubüro insitu, arbeitete über zehn Jahre in Afrika. Auf den Märkten dort wurden billige Armaturen aus China verkauft, die nach kurzer Zeit kaputt gingen. Barbara wurde es damals bewusst, dass in der Schweiz, viele gebrauchte aber qualitativ hochwertige Armaturen einfach weggeschmissen wurden. Mit Ihren Kontakten in der Schweiz versuchte sie zu organisieren, dass gebrauchte Armaturen und andere Bauteile bei Rückbauten vor der Entsorgung gerettet, gesammelt und nach Afrika gebracht wurden. Leider klappte das nicht einfach so. Aus dieser Idee heraus sind dann aber die Bauteilbörsen in der Schweiz und in Deutschland entstanden, die nicht nur gebrauchte Bauteile retten und wieder verkaufen, sondern auch Langzeitarbeitslosen den Weg zurück ins Arbeitsleben erleichtern.
Die Umnutzung von Gebäuden ist ein zentrales Thema des baubüro in situ – wie zum Beispiel beim Gebäude 215 im Rahmen der von der Immobilien Basel-Stadt initiierten Konversion des Lysbüchelarael. Foto: Martin Zeller
Wie kam es dann zur Bürogründung?
Für das Projekt „Unternehmen Mitte“, die Umnutzung der ehemaligen Volksbank zum „Wohnzimmer“ für die StadtbewohnerInnen, kam Barbara Buser zurück nach Basel. Es folgte die Umnutzung der ehemaligen Maschinenfabrik Sulzer-Burkardt in Basel zum „Gundeldinger Feld“, welches das „Wohnzimmer des Quartiers“ werden sollte. Darauf folgten zahlreiche weitere Projekte, bei denen es immer darum ging, weiter- und wiederzuverwenden, den Wert der Gebäude und deren Ressourcen zu erhalten, in dem man sie neuen Nutzungen zuführte. Dabei wurden immer möglichst viele gebrauchte Bauteile verwendet. Das baubüro insitu ist dieser Thematik auf pragmatische Weise treu geblieben und beschäftigt heute 60 Menschen.
Wie würden Sie den Begriff „Nachhaltigkeit" definieren?
Jede in der Bauwirtschaft tätige Firma steht vor dem Problem, dass der Bauprozess meist sehr energieintensiv ist, und zwar sowohl bei der Erstellung als auch während der Nutzung des Gebäudes. Bereits zu Beginn muss man sich die Frage stellen: Ist der geplante (Um-) Bau überhaupt sinnvoll? Wenn diese grundlegende Frage geklärt ist, kann mit der eigentlichen Bauplanung begonnen werden, die wiederum von der Überlegung begleitet sein sollte, ob die geplanten Eingriffe ökologisch Sinn machen und wie sie möglichst ressourcenschonend umgesetzt werden können, sei es zum Beispiel durch den Einsatz von gebrauchten Bauteilen oder auch einer intelligenten Balance zwischen Komfort und Einfachheit.
Sie haben Ihre Tätigkeit in die Bereiche „Adaption", „Transformation", Modulation und „Zirkulation" aufgeteilt. Könnten Sie erklären, worum es da genau geht?
Diese Begriffe stehen für die Vorgehensweise bei unseren Projekten und orientieren sich an dem beschriebenen Nachhaltigkeitsgedanken. Adaption meint, dass wir bei Umbauten mit dem Bestand arbeiten und dabei ökologische, aber auch ökonomische Aspekte berücksichtigen. Die Idee der Transformation leitet uns bei Umnutzungen von Arealen, bei denen wir unter anderem versuchen, die Geschichte des Areals aufzunehmen, es einer neuen Nutzung zuführen und dadurch den Wert des Bestandes erhalten. Durch eine einfache, modulare Bauweise können kostengünstige Räume erstellt werden, die StartUps und Bewohner*innen, erlauben, sich die Räume nach ihren individuellen Möglichkeiten und Wünschen anzupassen und anzueignen. Die Wiederverwendung von Bauteilen ist seit über 20 Jahren einer der zentralen Leitgedanken im baubüro insitu, und folglich bei allen unseren Projekten und Bauprozessen.
Sie sind, wie viele Büros die sich mit dem Thema Recycling auseinandersetzen, in einem Netzwerk organisiert. Könnten Sie uns beschreiben, wie dieses Netzwerk genau funktioniert?
Das Thema Wiederverwendung von Bauteilen ist komplex und manchmal ziemlich unübersichtlich. Darum ist es wichtig, sich gut zu vernetzen und seine Erfahrungen zu teilen. Dabei wird uns immer klarer, welche Unmengen von Bauteilen und Materialien entsorgt werden. Hier können wird den Absatz stärken, indem wir interessierte ArchitektInnen beim Suchen und Einsetzen von gebrauchten Bauteilen unterstützen. Aber es braucht auch aufgeschlossene experimentierfreudige Bauherrschaften, die mit uns diesen noch recht unerforschten Bereich erkunden. Sowie Unternehmer*innen und Fachplaner*innen, die sich für zirkuläre Bauprozesse einsetzen und diese weitertreiben.
Wir sind mittlerweile mit vielen Gleichgesinnten in einem Netzwerk eng verbunden. Hier hilft zum Beispiel die Plattform des Vereins Bauteilnetz (www.bauteilklick.ch), auf der gebrauchte Bauteile angeboten werden, und die auch dem Austausch der verschiedenen Firmen der „Wiederverwendungsbranche“ dient.
Im Moment gibt es einige Büros/ Plattformen, die im Bereich Architekturrecycling tätig sind. Sehen Sie sich als Teil einer neuen Strömung in der Architektur?
Wir sprechen von Wieder- und Weiterverwendung, nicht von Recycling! Barbara Buser gründete unter anderem zusammen mit Eric Honegger vor mehr als 20 Jahren das baubüro insitu. Damit sind wir bereits seit zwei Jahrzehnten Teil dieser Strömung in der Architektur beziehungsweise allgemein im Bauwesen. Wir stellen in letzter Zeit ein reges mediales Interesse an der Wiederverwendung von Bauteilen fest, und lernen eine wachsende Anzahl an Firmen und Köpfen kennen, die ähnlich denken und bauen. Wir sind sehr offen, teilen unsere Erfahrungen gerne und finden den Austausch für unsere eigene Arbeit sehr inspirierend. Aber: Wiederverwendung, zum Beispiel von Spolien, Formen, Bauweisen, Materialen, Bauteilen, gab es ja eigentlich schon immer, sie geriet aber mit Beginn der Industrialisierung und dem damit stetig wachsenden Konsumverhalten in Vergessenheit und das Wissen darum ging verloren. Mit der Frage, wie wir unseren Lebensstil wieder an den globalen Grenzen ausrichten können, suchen wir die Antwort im verantwortungsvollen Energie- und Ressourcenverbrauch. Besonders für die Einsparung von Treibhausemissionen ist die Wiederverwendung, im Vergleich zum Recycling, unschlagbar. Dies gilt für Bestandsgebäude und schlussendlich für unsere gesamte gebaute Umwelt. Wir sehen uns als Teil einer notwendigen Strömung!
Das baubüro in situ hat circa 60 Mitarbeiter und seinen Hauptsitz in Basel. Zudem gibt es einen weiteren Standort in Zürich und ein Projektbüro in Liestal. Foto: Martin Zeller
Reinier de Graaf von OMA hat mal gesagt, das Tragische an der Nachhaltigkeit wäre, dass es keine formale architektonische Sprache gibt, die mit ihr in Verbindung gebracht wird. Wie sehen Sie das?
Die Frage ist hier vielmehr, in welchem Zusammenhang diese Aussage steht? Die Nachhaltigkeit ist komplex und lässt sich nicht ohne weiteres mit einem Baukastensystem abhaken, sondern erschließt sich vielmehr im projektspezifischen Kontext. Im Namen der Nachhaltigkeit wird heute leider auch viel „Unsinn“ produziert, der unseren globalen Fußabdruck mitprägt. Dennoch sind wir sicher, dass in nicht allzu ferner Zukunft die Nachhaltigkeit das Normale in der Architektur sein wird und sich in der architektonischen Formulierung entsprechend ausdrückt. Es ist aber eigentlich nichts anderes als der Begriff, den Louis Sullivan schon vor 120 Jahren in die Architektur eingeführt hat: „ Form follows function“.
Sind Sie auch in der Lehre und Forschung tätig?
Wir halten viele Vorträge, u.a. an Hochschulen und Universitäten und betreuen Studierende auf Semesterbasis. Gerade im Gebiet des zirkulären Bauens, das in der Schweiz trotz großer Fortschritte noch in den Kinderschuhen steckt, ist Forschung essenziell, da so der Einsatz von Bauressourcen ökologisch und ökonomisch sinnvoll gesteuert werden kann. Wir arbeiten daher mit unterschiedlichen Partnern in Forschung und Lehre daran, unsere Erfahrungen zu analysieren und die Grundlagen und Prozesse des zirkulären Bauens zu erforschen.
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