Architektur vs. Corona : Mobile PPS von Plastique Fantastique
Plastique Fantastique ist ein Kunstkollektiv aus Berlin. Die Direktoren sind Marco Canevacci (Dr. Trouble) & Yena Young (Ms. Bubble)
Die Corona-Pandemie hat unser Leben verändert – wie hat sie sich auf Euren Alltag ausgewirkt?
Es begann im Februar, als unsere Ausstellung in Seoul verschoben wurde und wir nicht mehr hinfliegen konnten, um unsere Installation aufzubauen. Daraufhin wurden alle unsere Projekte entweder abgesagt oder verschoben, da wir hauptsächlich im öffentlichen Raum arbeiten. Wir waren plötzlich arbeitslos und hatten so viel Zeit zum Nichtstun. Das brachte uns dazu, kreativer zu sein und uns von der gegenwärtigen Situation inspirieren zu lassen.
Der Kampf gegen Covid-19 ist heute die größte Herausforderung – welche Rolle spielen DesignerInnen und ArchitektInnen dabei?
Es scheint, dass unsere Rolle als Kreative wichtiger denn je geworden ist. Entwürfe, um den Mangel an medizinischen Einrichtungen zu lösen können den Ärzten und Menschen in Not in Echtzeit helfen. Ideen bleiben nicht nur Ideen, sondern werden tatsächlich durch die Beschleunigung des Entwurfs- und Bauprozesses verwirklicht. Designer und Architekten wurden in dieser herausfordernden Zeit direkt mit der Gesellschaft verbunden.
Das Mobile PPS besteht aus zwei Teilen: der weiße Luftschleuse, in der sich Ärzte umziehen und desinfizieren können und die transparente care unit mit einer Größe zwischen 4 und 8 Quadratmetern. Von dort aus können Ärzte ihre Patienten untersuchen.
Was können Designer tun, um Lösungen für die Covid-19-Pandemie zu finden?
Nicht nur praktische medizinische Lösungen, sondern auch kreative Interpretationen über die Krise könnten den Menschen helfen, mit den sozialen, kulturellen und psychologischen Problemen umzugehen. Es könnte zum Beispiel eine Grafik sein, die die Menschen dazu anregt, zu Hause zu bleiben, ein Gesundheitsmeditationsprojekt, eine Online-Ausstellung, ein Produkt, um Einsamkeit zu vermeiden oder sogar ein kreatives Meme.
Auch kreative Perspektiven über die Zeit mit/nach Covid-19 könnten unsere Generation beeinflussen, die Welt in der zukünftigen Krise neu zu überdenken.
Ihr habt eine Lösung entwickelt – das Mobile PPS. Woher kam die Idee?
Als sich die COVID-19-Situation in vielen Ländern verschlechterte, hörten wir, dass es an persönlicher Schutzausrüstung für Ärzte fehlte. Wir wollten etwas tun, um ihnen zu helfen.
Die aufblasbare Struktur, die wir schaffen, hat einen positiven Luftdruck: Die saubere Luft wird nach innen geblasen und überschüssige Luft strömt nach außen, wodurch ein Hygieneraum entsteht. Das ist das Gegenteil von Unterdruckräumen für Patienten in Quarantäne in Krankenhäusern. Wir dachten, das ist perfekt, um Ärzte, die Patienten mit dem ansteckenden Virus behandeln, zu schützen. Er kann auch als sicherer Raum für Menschen dienen, die ihre Freunde und Familienmitglieder in Krankenhäusern besuchen wollen.
Das PPS ist adaptierbar: Es können zum Beispiel Handschuhe an der Oberfläche des PPS befestigt werden. Die Sturktur ist auf TPU (Thermo Polyurethane) gefertigt.
Wie lange hat es gedauert, bis Sie das Projekt abgeschlossen hatten?
Nachdem wir die Idee hatten, den Schutzraum für Ärzte zu schaffen, dauerte die Entwicklung des Designs einige Tage und die Herstellung des funktionierenden Prototyps etwa drei Tage. Wir arbeiten seit 1999 als Künstler und Architekten und schaffen vor allem pneumatische Installationen im öffentlichen Raum. Plötzlich konnten wir unsere Arbeit im Kampf gegen das Coronavirus verwenden.
Ist das Mobile PPS bereits irgendwo im Einsatz?
Wir wurden aus verschiedenen Bereichen kontaktiert und hoffen, bald an vielen Orten eingesetzt zu werden.
Haben Sie bei der Entwicklung Ihres Mobile PPS Hilfe von ÄrztInnen erhalten?
Wir würden uns über medizinisches Feedback von Ärzten freuen und sind offen für weitere Vorschläge und Ideen.
Was bringt die Zukunft für plastique fantastique? Habt Ihr weitere COVD-19-Lösungen in der Planung?
Gerade planen wir, einen größeren Prototyp zu erstellen und ihn als Open Source zur Verfügung zu stellen. Dann können Menschen in Notfällen ihn selbst herstellen. Das stellen wir nächste Woche fertig.
Wir werden auch ein Kunstprojekt über die Zeit nach Corona initiieren. Es wird sich mit der völlig entgegengesetzten Situation befassen, die neue Herausforderungen und hypothetische soziale Phänomene hervorbringen wird. Wie wir die Probleme in der Vergangenheit betrachtet und gehandhabt haben, soll zum Umdenken gebracht werden.
Eure Hoffnungen für die Zukunft?
Ich hoffe, dass Mobile PPS Menschen in Not erreicht und wir etwas zur Gesellschaft beitragen können.
Wir denken auch, dass diese instabile Zeit uns in Zukunft zu innovativen Ideen und neuen Richtungen in unserer Arbeit führen wird.