Frauen in der Architektur: n-ails
Gabriele Fink ist eine Berliner Architektin und leitet ein Architekturbüro mit zwei Mitarbeiterinnen mit den Schwerpunkten Kultur- und Sozialbauten. Sie ist im Vorstand von n-ails, einem Netzwerk, das sich für die Vernetzung und Stärkung von Architektinnen und Planerinnen einsetzt. Im Gespräch mit Vanessa Kanz sprach Gabriele Fink unter anderem über ein Festival für Architektinnen, ungesehene Bauwerke und weibliche Vorbilder in der Architektur.
Wie entstand die Idee zu n-ails?
Wir haben uns vor 15 Jahren in Berlin gegründet, weil wir eine Plattform für professionellen, kreativen und interdisziplinären Austausch für Planerinnen bieten wollten. Seit 2004 fördern wir diesen fachlichen Austausch durch Vorträge, Diskussionen, Ausstellungen und Exkursionen. Frauen, die oft kleine Büros haben und von zuhause aus arbeiten, sollten sich besser vernetzen.
Sie sitzen in Berlin. Gibt es Kontakte außerhalb der Bundeshauptstadt?
Ja, mittlerweile gibt es auch einen Dachverband: www.planerinnen-netzwerk.de – da sind wir und andere Netzwerke vertreten, wie z.B. Pia in Hamburg, architektinneninitiative in Nordrhein-Westfalen, die Baufrauen in Nürnberg und aus anderen Bundesländern. Wir treffen uns alle einmal jährlich und haben diese gemeinsame Website. Der Netzwerkgedanke über n-ails hinaus ist uns sehr wichtig. Aber auch intern geht es uns im Interdisziplinarität und fachübergreifenden Austausch. Deshalb ändern wir auch gerade unsere Satzung, damit auch Ingenieurinnen dabei sind. Der Name n-ails leitet sich von den Anfangsbuchstaben ab: „Netzwerk – Architektinnen, Innenarchitektinnen, Landschaftsarchitektinnen und Stadtplanerinnen. Das „i“ ist nun zweifach besetzt durch die Ingenieurinnen.
Worum geht es Ihnen neben dem Netzwerkgedanken noch?
Wir betreiben auch Berufspolitik. n-ails ist durch Hille Bekic und mich mit zwei Sitzen in der Vertreterversammlung der Architektenkammer Berlin vertreten. Und Hille Bekic ist seit zwei Jahren auch im Vorstand der Architektenkammer.
Wie viel Mitspracherecht haben Sie?
Die Vertreterversammlung besteht aus circa 40 Mitgliedern aus allen Verbänden – bei Abstimmungen haben wir dann eben zwei Stimmen. Im Vorstand sind sieben Mitglieder, da hat die eine Stimme von Hille Bekic verhältnismäßig mehr Gewicht. Auf jeden Fall wollen wir die Belange von Frauen, kleinen Büros und generell benachteiligten Gruppen berufspolitisch unterstützen.
Was bewegt sich in der Kammer in puncto Chancengleichheit?
Was zum Beispiel von uns kam: n-ails hat veranlasst, dass die Regelwerke im Zuge der Überarbeitung gegendert wurden. Im Vorstand der AK-Berlin sind im Moment sogar mehr Frauen als Männer. Außerdem planen wir im kommenden Jahr ein Festival, WIA 2020 – ein Festival zu Women in Architecture. Die Architektenkammer ist dabei Festivalpartnerin und unterstützt das Festival unter anderem finanziell. Vor zehn Jahren wäre wahrscheinlich gegen eine solche Anfrage gestimmt worden. Durch verschiedene Veranstaltungen zu Frauenthemen, wie zum Beispiel die Ausstellung „Frau Architekt“ im DAM, hat sich die Stimmung geändert.
Was haben Sie für das Festival WIA 2020 geplant?
Es wird ein vierwöchiges Festival. An vielen unterschiedlichen Orten in Berlin werden Veranstaltungen von und über Frauen in der Architektur stattfinden. Wir haben schon viele Akteure gewonnen: zum Beispiel die Galerie AEDES, den BDA Berlin, den BDA Bund – die nehmen mit verschiedenen Veranstaltungen teil.
Sie zeigen also Projekte von Architektinnen und Planerinnen aus der Vergangenheit sowie aus der Gegenwart?
Genau. Eine Ausstellung ist so konzipiert, dass wir im Rahmen eines niedrigschwelligen Open-Call dazu aufrufen, dass jede Teilnehmerin ein Berliner Projekt ihrer Wahl auf einem DIN-A3-Blatt veröffentlichen kann. Dadurch zeigen wir die Menge an ungesehenen Projekten von Architektinnen und Planerinnen auf. Es wird zwar ein Kuratorium geben, das die Projekte auswählt und ordnet, aber wir wollen nicht nur die bekannten, schon veröffentlichten Projekte zeigen, sondern demonstrieren: Es gibt ganz viele ungesehene Frauen, die Anteil an der Stadtentwicklung und Baugeschichte haben.
Woran mag das liegen, dass sie noch heute ungesehen sind?
Man nimmt die Werke von Frauen noch zu wenig wahr, weil sie nicht so in den Vordergrund rücken oder auch nicht veröffentlicht werden. Obwohl es viel gute Architektur von Frauen gibt. Anscheinend verkaufen sich Frauen nicht gut genug und wenige leiten große Büros. Es gibt nur sehr wenige bekannte Büros, die von Frauen geleitet werden. Wenn, dann sind es Frauen in Partnerschaften mit Männern, die erfolgreich sind und deren Projekte veröffentlicht werden. Wie zum Beispiel bei Grüntuch und Ernst. Aber eben selten eine Frau alleine oder zwei Frauen. Doch das ändert sich langsam.
Welche Themen erachten Sie momentan in der Architekturdiskussion als besonders relevant, die auch bei Veranstaltungen Ihres Netzwerks aufgegriffen werden?
Die Themen sind sehr unterschiedlich: Mal geht es bei einem Vortrag um Barrierefreiheit, ein anderes Mal nehmen wir als Netzwerk an externen Veranstaltungen zum Wohnungsbau teil oder setzen uns für niedrigschwellige, offene Wettbewerbs- und Vergabeverfahren ein.
Leit- und Hauptthema war und ist aber immer: Wie können Frauen noch mehr gesehen werden? Am diesjährigen Deutschen Architektentag haben wir, zum Beispiel einen Workshop zu Architektinnen Startups veranstaltet.
Was war das für ein Workshop?
Es ging darum, wie man sich als junge Architektin oder auch als Berufserfahrene verändern kann. Die Teilnehmerinnen entwickelten neue Businessideen, egal ob Gründung oder Neuorientierung. Die Geschäftsideen wurden von fiktiven Investorinnen bewertet. Als Grundlage dienten die drei Fragen: Was sind meine beruflichen Träume? Wer ist meine Zielgruppe? Wie akquiriere und wie finanziere ich?
Was schätzen Sie am Austausch und der Zusammenarbeit mit weiblichen Kolleginnen?
Es ist nicht unbedingt immer einfacher. Wobei – doch, eigentlich ist es schon einfacher, weil man sich ähnlicher ist. Aber natürlich gibt es auch Frauen, die schwierig sind. Ich bin keine, die sagt, dass ich mich nur mit Frauen austauschen kann. Aber Männer sind häufiger dominant in Gruppen und Frauen dagegen eher zurückhaltender. Wenn Frauen unter sich sind, ergeben sich andere Chancen. Wir wollen aber nicht ausgrenzen, es geht uns darum, Frauen zu stärken. Man fragt sich immer: Wo bleiben die? Warum bleiben so viele auf der Strecke?
Und?
Weil es ein stressiger, arbeitsintensiver Beruf ist und mit Kindern lässt sich das schlechter vereinbaren. Zumindest ist das noch so in Deutschland. In Schweden funktioniert das schon viel eher, da gibt es andere Gesetze. Männer müssen dort beispielsweise auch Erziehungsurlaub nehmen, sonst wird ihnen Geld abgezogen.
Aber würden Sie dennoch sagen, dass die Baubranche hier so langsam attraktiver wird für Frauen?
Auf jeden Fall. Es gibt viel zu tun, die Nachfrage ist da. Das war viel schwieriger, als sich alle um Aufträge reißen mussten, weil es wenig zu tun gab. Ich bin schon lange im Beruf, das hat sich immer mal wieder geändert. Aber durch die derzeitige starke Nachfrage lassen sich Bedingungen wie Teilzeit gut verhandeln. Gleichzeitig ist ein Umdenken in den Büros angekommen: Sie müssen sich darauf einstellen, auch Männer nehmen mittlerweile häufiger Elternzeit in Anspruch.
Apropos lange Erfahrung: Haben Sie einen Ratschlag für Architekturstudentinnen und -absolventinnen?
Sie sollen sich nicht entmutigen lassen und sich mehr zutrauen. Auch mit Kindern sollen sie nicht denken, dass der Beruf nicht mehr möglich für sie sei. Oft liegt es an der eigenen Einstellung; sie denken eher: „Ich kann mich da nicht bewerben, ich bin nicht gut genug" oder „Ich kann keinen Vortrag halten, weil ich zu wenig weiß" – und sagen bei Anfragen häufiger ab. Ich glaube, Männer haben da meist mehr Selbstvertrauen, schätzen sich positiver ein und machen sich nicht so viel Gedanken.
Fällt Ihnen eine Frau aus der Architektur ein, die Sie besonders beeindruckt hat?
Die erste Architektin, die mir Vorbild war, war Annemarie Ungerer. Ich lernte sie auf der Suche nach einer Bauleitung für mein erstes Projekt kennen und habe dann viele Jahre mit ihr zusammengearbeitet. Es hat mich sehr beeindruckt, dass es ein Frauenbüro war – drei Büropartnerinnen –, die schon Mitte der 80er Jahre mit Ausschreibungsprogrammen gearbeitet haben. Annemarie war sehr erfahren mit der LPH 6-8, Ausschreibung, Vergabe und Bauleitung, und sehr strukturiert. Während meines Studiums in München und Zürich, 1975 bis 1981, war mir keine Architektin Vorbild, weil es nur Architekten gab, von denen wir hörten. Das hat sich zum Glück jetzt geändert und wir sind einen großen Schritt weiter.
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