You are here

Frauen in der Architektur: PIA Netzwerk e.V.

Die Baubranche ist noch immer von Männern dominiert. Es gibt aber genügend Beispiele, die bezeugen: Frauen passen mindestens genauso gut in diesen Wirtschaftszweig. In Teil zwei unserer Serie "Frauen in der Architektur" sprach Vanessa Kanz mit Ina Möller vom PIA Netzwerk e.V.
Veröffentlicht am 24.09.2019

Ina Möller ist Hochbauarchitektin, vor allem im Altbau unterwegs, 50 Prozent selbstständig und 50 Prozent angestellt. Sie wohnt und arbeitet in Hamburg und ist seit zehn Jahren Mitglied bei PIA Netzwerk e.V., einem Netzwerk für Planerinnen, Ingenieurinnen und Architektinnen. Seit 2012 leitet sie dessen Geschäftsstelle und seit 2014 ist sie im PIA-Vorstand. Vanessa Kanz sprach mit ihr unter anderem über weibliche Fortschritte in der Branche und interessante Arbeitsmethoden aus der Psychologie.

Mitgliederinnen des PIA Netzwerk e.V. Bild: www.cuc-studio.eu, Lucia Cutolo

Frau Möller, was war denn Ihr persönlicher Beweggrund, bei einem Netzwerk wie PIA mitzumachen?
Als Einzelkämpferin hat mir der Austausch gefehlt. Und wenn man alleine ein Büro führt, kommt man auch schnell an seine Grenzen was die Kapazität angeht. Durch PIA habe ich nun mindestens zwei Kolleginnen, mit denen ich regelmäßig Projekte zusammen bearbeite. Das ist viel wert.

Wie funktioniert der Austausch?
Das Kernstück von PIA ist das digitale interne Forum. Darauf haben nur die Vereinsmitgliederinnen Zugriff, um spezifische Fragen zu stellen und schnell Antworten darauf zu bekommen. Überspitzt gesagt: Wo kriege ich billig einen Baustein her? Oder eben fachspezifische Probleme, für die jemand fachspezifische Lösungen hat. Meistens bekommt man sehr gute, hilfreiche Antworten und Empfehlungen – und die sind wertvoller als von Doktor Google. Unsere „virtuelle Teeküche“ habe ich das mal genannt.

Wie groß ist denn Ihr Netzwerk?
Wir sind momentan 113 Mitgliederinnen. Das Durchschnittsalter liegt bei 45 Jahren. PIA ist übrigens ein norddeutsches Netzwerk – Hamburg und umzu, wie wir sagen. Die Besatzung ist schön durchmischt. Unser Unterschied zur Kammer ist der, dass zum Beispiel auch nicht zugelassene Architektinnen dabei sind, und auch Designerinnen und Planerinnen, die nicht in der Kammer registriert sind. Handwerkerinnen sind auch willkommen. Die Mischung und der bunte Pool sind gesucht.

Was bietet PIA ihren Mitgliederinnen?
Die meisten Veranstaltungen sind öffentlich, auch für Nicht-Mitglieder – bis auf die turnusmäßige Mitgliederversammlung. Drei bis vier Mal im Jahr findet unser offener runder Tisch statt, meistens in einer Gastronomie in Hamburg, wo es nett ist und es Spaß macht, zu sein. Manchmal verknüpfen wir diesen Event auch mit Inhalten: Wir gehen vorher in ein Museum oder zu besonderen Orten wie einem Open Lab, wo man 3-D-Fräsen benutzen kann.

Es geht Ihnen auch darum, mit anderen Netzwerkerinnen zusammenzukommen.
Ja, genau. Seit über einem Jahr sind wir Mitglied im Landesfrauenrat – da kommt man nicht als Einzelperson, sondern als Institution rein. Momentan sind es 60 Institutionen. Alle zwei Jahre gibt es, zusammen mit der Handelskammer und dem Landesfrauenrat, eine Netzwerkmeile in der Hamburger Börse. Da hat jede dieser Institutionen einen Stand, man läuft rum und knüpft Kontakte – das ist Netzwerken vom Allerfeinsten. Dadurch haben wir Kontakt zu den Bauingenieurinnen, zu den Juristinnen, Frauen im Management – das ist toll und das wollen wir auch intensivieren.

Ein weiteres Beispiel für den Austausch mit anderen Netzwerken war und ist das europäische Netzwerktreffen von PIA. Was ist da passiert?
Das letzte europäische Netzwerktreffen fand vom 15. bis 16. August in Hamburg statt. Es war ein Symposium zu den zukünftigen Herausforderungen der Digitalisierung in Planungsberufen. Wir hatten großes Glück, weil auch die Kammer mitgemacht hat – wir haben immer mal wieder den Kontakt gesucht, aber irgendwie war der Funke nie ganz da. Jetzt aber! Die Kammer hat nun eine Arbeitsgruppe, auch auf der Ebene der Bundesarchitektenkammer, zur Chancengleichheit. Das lief parallel zum Netzwerktreffen.

Sind Sie diesbezüglich direkt auf die Kammer zugegangen?
Nicht direkt. Ich weiß nicht, ob wir da den Wecker angemacht haben. Es kam gut zusammen, sagen wir mal so. Vielleicht haben wir den letzten Schubs gegeben. Die haben also parallel zu unserem Netzwerktreffen eine Arbeitsgruppe initiiert und die erarbeiten nun Richtlinien oder einen Wegweiser, wie die Projektgruppe Chancengleichheit auf Bundesebene aussehen sollen. Damit das überall installiert wird, in jeder Länderarchitektenkammer.

Worum geht es der Projektgruppe genau?
Die Projektgruppe Chancengleichheit benennt konkrete Missstände und sucht gezielt nach Lösungen, damit Frauen sichtbar werden, damit es bei der Verteilung des Geldes gerecht zugeht und damit Gerechtigkeit und Transparenz bei der Auftragsvergabe herrschen.

Was tut die BAK außerdem konkret für Frauen?
Generell bildet der BDA Netzwerke, baut diese aus, er macht Potenziale und das Wirken von Architektinnen sichtbar. Es geht darum, einen gesellschaftlichen Wandel zu erzeugen und mehr Partizipation zu erreichen. Ich weiß von einer einzelnen Kollegin, die einen Fortschritt für die Frauen im Rahmen des Versorgungswerks erkämpft hat. Das ist prinzipiell besser als die normale Rentenversicherung, weil die wenig Verwaltungsaufwand betreiben. Da war aber so etwas wie Erziehungszeit bisher nie berücksichtigt. Ich selbst habe da nichts mehr von. Aber die nächsten Generationen kommen in den Genuss, dass die Eltern- und Ausfallzeiten an die normale Rentenversicherung angeglichen werden.

Kennen Sie noch ein ähnliches Beispiel aus Ihrem Umkreis, bei dem Frauen intensiv für die Gleichstellung eintreten?   
Bei einigen Kammern ist es so, dass sich Kolleginnen für die Gendersprache eingesetzt haben. Das ist jetzt nicht mein Steckenpferd. Da kann man lange drüber diskutieren, ob man das will oder nicht. Bei uns im Verein sind die Ultra-Feministinnen, die einem immer Böses gesagt haben, wenn man etwas nicht korrekt bezeichnet hat, die sind raus. Uns geht es darum, diese Opferrolle à la „die Armen“ und „das fehlt und das fehlt“ abzulegen. Es ist natürlich nicht so, dass die Probleme gelöst sind, wir haben das auch im Hinterkopf, aber wir wollen das nicht an die vorderste Reihe stellen.

Sondern?
Wir wollen hervorheben, was wir alles Tolles machen. Wir wollen über unsere Qualitäten sprechen und damit werben. Andernfalls kommt man nicht aus dem Quark. Irgendwann sollen ja eigentlich auch die Männer mit ins Netzwerk rein. Denn wenn man die gleichen Chancen, die gleiche Verteilung der Kehrarbeit möchte, dann müssen die Jungs mit ins Boot. Sonst wird das nichts. Das ist ein wichtiger Schritt, der noch zu planen ist.

Apropos planen: Kann man Chancengleichheit planen?
Chancengleichheit funktioniert in erster Linie durch gesetzliche Vorgaben. Genauso wichtig ist das Verständnis. In anderen Ländern funktioniert das schon viel besser. Wir hatten beim europäischen Netzwerktreffen Jette Hopp von snøhetta als Speakerin: Sie erzählte davon, dass es in Norwegen zum Beispiel keine Besprechung nach 17 Uhr gibt. Das ist alltagspraktisch und familienfreundlich.

Da Sie Jette Hopp erwähnten: Sie hat auf dem europäischen Netzwerktreffen die Arbeitsmethode des „transpositioning“ vorgestellt. Projektteilnehmer werden aufgefordert, von der beruflichen Rolle abzuweichen und in die Rolle anderer Personen – Bauherr, Nutzer, Kritiker – zu wechseln. Was halten Sie davon?
Ich finde das sehr spannend, weil es den Horizont erweitert, wenn man sich in andere Situationen hinein denkt. Das ist natürlich im ersten Moment arbeitsaufwendig, aber einer bestimmten Projektgröße ergibt das absolut Sinn. Natürlich auch im Berufsalltag – da wären wir wieder beim Thema Verständnis.

Verfolgen Sie mit PIA auch neue Arbeitsmethoden und Lösungsansätze?
Wir haben gerade ein neues Format für kollegiale Beratung installiert. Wir setzen uns insgesamt eine Stunde zusammen,  mit klarem Muster: Eine Person trägt ein konkretes Problem für 15 Minuten vor, danach fragen die anderen nochmal für 15 Minuten nach, also Verständnisfragen. Anschließend muss die Person mit dem Problem aus der Gesprächssituation raus, das heißt sie darf nur noch zuhören, nicht mehr gucken und nichts mehr sagen – da ist dann zum Beispiel eine Trennwand. Die anderen aus der Gruppe beraten, wie man das Problem angehen könnte, ganz konkret, sodass die Person nachher einen Strauß an Möglichkeiten hat, wie sie mit der Situation umgehen kann.

PIA bietet außerdem ein Mentoring-Programm an. Was heißt das genau?
Berufserfahrene Kolleginnen stehen Jüngeren bei der beruflichen Entwicklung beiseite. Junge Frauen können sich bei uns melden, wir führen Gespräche und versuchen, ihnen auf dem Weg zu helfen. Wir haben das an das Mentoring-Programm der Universität Hamburg angedockt. Die suchen allerdings nach einer neuen Finanzierung und dürfen momentan nur noch für Studenten und Absolventen der Universität aktiv werden. Früher war das offen für alle junge Frauen. Wir hoffen, dass sich das wieder erweitert und dann hängen wir uns wieder mit daran.

Welche Fähigkeiten muss man bzw. frau unbedingt mitbringen, um in der Baubranche Fuß zu fassen?
Als Architektin bist du ja immer der oberste Knotenpunkt, wo alles zusammenläuft: Kostenmanagement, Zeitmanagement und Qualitätsmanagement – die drei Sachen muss man immer im Blick behalten. Das sind die drei Bälle, die man im Projektmanagement im Spiel hat. Von daher ist das Wichtigste ein Organisationsgeschick und der Umgang mit Menschen. Und: Als Architekt und Architektin musst du wissen, was du nicht weißt. Denn: Man kann nicht alles wissen. Man muss sich das Fachwissen suchen, es für jedes Projekt neu zusammenpuzzeln und dann Prioritäten setzen.

PIA ist als Wissensportal gestartet, nach und nach hat es sich als ein Instrument für Öffentlichkeitsarbeit herausgestellt. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Der Ursprung war tatsächlich, dass die Gründerin durch einen blöden Fehler fast pleite gegangen ist. Da war ihr Anliegen, dass das anderen nicht passieren soll. Das war der Gründungsimpuls, der noch heute mitschwingt. Denn Austausch ist wichtig. Die Öffentlichkeitsarbeit geht Hand in Hand: Unsere Veranstaltungen sind öffentlich, weil das eine win-win-Situation ist. Wir tauschen Wissen aus und gleichzeitig werden andere auf uns aufmerksam, die eventuell  mitmachen. Wir brauchen Nachwuchs, wir müssen jung bleiben, sonst schläft das Ganze irgendwann ein. PIA ist auch ein tolles Instrument, um aktuelle Themen mit zu beeinflussen. Das will im Verein nicht immer jeder – aber wir haben nach unserer Satzung auch eine Verpflichtung dazu, uns an der aktuellen Architekturdiskussion zu beteiligen.

Sie möchten noch mehr über spannende Initiativen lesen, die Frauen in Baubranche fördern und unterstützten? Hier geht es zu n-ails und Frau liebt Bau. 

 

Registrieren und Job-Matching aktivieren