Verhilft das Baukindergeld zu mehr Wohnraum?
Mit seiner Begeisterung steht Seehofer relativ allein da. Nicht nur die politischen Gegner kritisieren die Förderung als unsozial und verschwenderisch, auch Vertreter der Immobilienwirtschaft und wirtschaftsnahe Institute verweisen auf die negativen Effekte der Finanzspritze.
Die Bundesregierung plant, in ihrer Wohnraumoffensive den Bau von insgesamt 1,5 Millionen neuer Wohnungen und Eigenheime zu ermöglichen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde neben anderen Maßnahmen das sogenannte Baukindergeld eingeführt. Familien mit Kindern werden pro Kind mit 1.200 Euro pro Jahr über einen Zeitraum von zehn Jahren gefördert, wenn sie erstmalig selbstgenutztes Wohneigentum erwerben. Das macht mindestens 12.000 Euro Zuschuss zum privaten Hauskauf. Mit insgesamt fünf Milliarden Euro soll im selben Zeitraum der soziale Wohnungsbau gefördert werden. Das Ziel ist hier rund 100.000 neue Sozialwohnungen zu bauen.
Für das Jahr 2019 beläuft sich die Finanzspritze für den sozialen Wohnungsbau auf etwa 1,5 Milliarden Euro. Beinahe genauso viele Subventionen, nämlich rund 1,7 Milliarden Euro, sind seit der Einführung des Baukindergelds vor acht Monaten für ebendiese Förderung gebunden.
Das Projekt von Innenminister Seehofer hat zahlreiche Kritiker
Der Bundesrechnungshof etwa verweist auf ein schon mal gescheitertes Projekt, die Eigenheimzulage. Sie wurde 2006 abgeschafft. Bedenkenswert seien zu erwartende negative Effekte, wie Immobilienpreissteigerungen und Mitnahmeeffekte, heißt es in Medienberichten dazu. Bauträger könnten das Baukindergeld schlicht einpreisen. Noch dazu würden die Familien, die sich keine Immobilie leisten könnten, mit ihren Steuergeldern die kaufkräftigen noch unterstützen.
In einer kleinen Anfrage zum Baukindergeld von einigen Abgeordneten und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an die Bundesregierung, antwortet diese im April dieses Jahres mit konkreten Zahlen. Und die zeichnen ein deutliches Bild: Rund 84 Prozent der Anträge bezogen sich auf Bestandsimmobilien. Nur rund 16 Prozent auf Neubauten. Der Wunsch des Innenministers Seehofer, die Wohneigentumsbildung zu stärken, bleibt also Wunschdenken.
Der Kritik, dass einkommensstarke Haushalte in besonderem Maße gefördert würden, wie sie etwa das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung formuliert, widerspricht die Bundesregierung. In der kleinen Anfrage wird deutlich, dass insgesamt 58 Prozent der geförderten Familien weniger als 40.000 Euro pro Jahr zur Verfügung haben. Das durchschnittliche Haushaltseinkommen betrage etwas unter 39.000 Euro, was einem mittleren Einkommen entspricht.
Bei der regionalen Verteilung lassen die Zahlen keine konkreten Schlüsse zu. Das Institut der deutschen Wirtschaft moniert in einem Gutachten, dass nicht Ballungsräume entlastet, sondern stattdessen ländliche Räume gefördert werden, in denen kaum Baubedarf vorliegt. So würden Leerstandsprobleme verstärkt, heißt es in dem Gutachten. Nach den Zahlen der Bundesregierung verteilen sich die bisherigen Anträge auf knapp 6.500 ländliche und dünn besiedelte ländliche Kreise sowie rund 7.000 städtische Kreise und Großstädte.
Die bevölkerungsreichen Länder Bayern, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg stehen an der Spitze der Förderungstabelle für Neubauten, am Schluss befinden sich Berlin, Hamburg und Bremen. Auch bei den Bestandsimmobilien machen die Großstädte Berlin, Hamburg und Bremen klar den kleinsten Anteil aus. Am häufigsten kamen Anträge aus NRW, Baden-Württemberg und Niedersachsen.
Dass das Baukindergeld die hohe Nachfrage erfährt, die sich Seehofer erhofft, bestätigt die Pressemeldung nicht. Während der ersten Programmphase sind rund 83.000 Anträge eingegangen, etwa 4.200 Familien haben ihre erste Rate erhalten. Laut der Antwort auf die kleine Anfrage ist die Zahl der Anträge allerdings rückläufig. Reichten im Startmonat September 2018 noch fast 15.000 Familien Anträge ein, schrumpfte die Zahl um mehr als ein Drittel auf rund 9.000 im März 2019.
Die Bundesregierung selbst sieht im Baukindergeld nur einen Baustein von vielen.
Um den Wohnungsengpässen zu entgegnen, braucht es mehrere Initiativen: Nur das gesamte Maßnahmenpaket würde dafür sorgen, Preiseffekten entgegen zu steuern. Außerdem würde der „erzeugte Nachfrageimpuls zur Ausweitung des Angebots an Wohnraum beitragen“, heißt es weiter in der Antwort.
Die Frage also, ob das Baukindergeld zu mehr Wohnraum verhilft und damit die Engpässe in Ballungsräumen entspannt, muss zu diesem Zeitpunkt klar mit Nein beantwortet werden. Natürlich bleibt abzuwarten, wie sich die Situation über die gesamte Legislaturperiode, also bis 2021, entwickelt. Die Tendenz zeigt allerdings nach unten. Es deutet also darauf hin, dass die Bundesregierung ihr Ziel, die Wohneigentumsquote mithilfe des Baukindergelds maßgeblich zu steigern, verfehlen dürfte.
Dieser Artikel stammt aus der Juliausgabe 2019 des Baumeisters. Das Architekturmagazin wird – ebenso wie New Monday – von GEORG Media herausgegeben.